Montag, 18. November 2013

"Geschichten & Bilder aus Indien"

 Für alle Interessierten halte ich am Freitag, 22. November, ab 19.30 im Gemeindezentrum "Schwedenheim" der evangelischen Kirche in Cloppenburg einen Vortrag über mein Jahr in Indien und zeige natürlich auch jede Menge Fotos - ich verspreche, dass es auch neue Fotos sein werden, die auf meinem Blog noch nicht zu sehen waren.
Mit diesem Abend möchte ich mich auch noch einmal insbesondere bei allen SpenderInnen, die mich und mein Projekt in Delhi unterstützt haben, bedanken. Sie sind natürlich ganz besonders herzlich eingeladen!

Der dazu in der Nordwest Zeitung veröffentlichte Text:

Unter dem Motto „Geschichten und Bilder aus Indien“ wird der Cloppenburger Benjamin Scholz am Freitag, 22. November, ab 19.30 Uhr einen Vortrag im Gemeindezentrum „Schwedenheim“ der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Cloppenburg halten.
Scholz hatte nach seinem Abitur am Clemens-August-Gymnasium (CAG) im vergangenen Jahr einen einjährigen Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJFD) in einer Schule für sozial benachteiligte Kinder in Delhi/Indien absolviert. „Ich möchte den Abend nutzen, um von meinen vielen prägenden Erfahrungen zu berichten“, so der 19-jährige. „Gleichzeitig möchte ich mich bei der Gemeinde für die hohe Spendenbereitschaft während meines Freiwilligendienstes bedanken.“

Quelle: http://www.nwzonline.de/cloppenburg-kreis/1000-euro-fuer-guten-zweck_a_9,4,2298399776.html

Montag, 23. September 2013

Was nach einem Jahr Indien bleibt


Ein Monat ist nichts im Vergleich zu einem Jahr. Seit einem Monat bin ich erst wieder hier in Deutschland – und doch kommt mir Indien und meine Zeit dort plötzlich so weit weg vor. Nach dem ersten Kulturschock im heimischen Deutschland habe ich mich aber schnell wieder an das Leben hier gewöhnt. 18 Jahre meines Lebens haben mich eben doch nicht unwesentlich geprägt.
Sehr bald hatte ich mich wieder daran gewöhnt, wie die Menschen hier ticken: Völlig anders als in Indien. Das eine muss nicht besser als das andere sein, der Unterschied ist aber frappierend. Um dies festzustellen, musste ich erst zurückkehren, nach meiner Ankunft in Indien war es mir nicht so offensichtlich geworden. Schnell bin ich wieder in meine alte Rolle geschlüpft, als einer von vielen.
Die Aufmerksamkeit, die ich als Weißer in Indien automatisch zuteil bekam, war plötzlich verschwunden. Oft hat mich das „Besonders-Sein“ genervt, aber es war zur Gewohnheit geworden. Und in der einen oder anderen Situation habe ich die daraus resultierenden Vorteile auch gerne ausgenutzt.
Bereits am Flughafen in Düsseldorf, als ich umringt von Weißen auf mein Gepäck wartete, hatte ich ein komisches Gefühl. Lediglich die indische Familie neben mir, die auf Hindi sprach, während sie auf ihren gesamten Hausrat (die Masse des Gepäcks ließ zumindest darauf schließen) wartete, gab mir ein Stück Heimat zurück. Heimat? Ja, Heimat! Denn Indien ist über das Jahr hinweg meine zweite Heimat geworden. Im Nachhinein erinnere ich mich jetzt natürlich weniger an die nervigen Rikscha-Fahrer, die Hitze und die starrenden Inder, sondern mehr an die gute Küche, tolle Landschaften und nette und warmherzige Menschen. Das ist das Schöne an Erinnerungen: Im Rückblick malt man sich Vieles in rosaroten Farben.
Nur den Lärm, den vermisse ich kaum. In Delhi war es schwer, mal wirklich zur Ruhe zu kommen, in Cloppenburg ist es nun eher das Gegenteil. Schon auf der Autobahn aus Düsseldorf war es ungewohnt ruhig – nicht zuletzt, weil die Hupe in Deutschland seltener benutzt wird. Auf den Straßen – selbst in den sogenannten Großstädten wie Hannover – ist kaum etwas los. Das ist zunächst natürlich ungewohnt, aber kein Nachteil.
Ich schäme mich auch nicht für meinen Wohlstand, nur weil ich ein Jahr mit sehr armen Menschen fast täglich Kontakt hatte und über Facebook immer noch mit ihnen in Kontakt stehe. Genauso, wie ich in Indien auch öfters von meinem vollen Geldbeutel (im übertragenen Sinne) Gebrauch gemacht habe. Trotzdem kann ich und können wir von diesen Menschen meines Erachtens nach lernen. Wenn ich mitbekomme, wie sich Rentner in einer  Mietwohnung in einem Vorort von Hannover über spielende Kinder oder für ihren Geschmack zu lange hängende Wäsche ereifern, kann ich nur den Kopf schütteln. In Indien ist es die absolute Ausnahme, dass eine Familie keine Kinder hat – was zu den bekannten demographischen Problemen führt. Kinder sind dort in eigentlich jedem Haushalt zu finden, die Großfamilien wohnen unter einem Dach. Ich will nicht dafür eintreten, dass das deutsche Bevölkerungswachstum rasant in die Höhe schnellt, aber wenn Kinder hier wieder „normal“ wären und ungestört spielen können, wäre uns schon geholfen.
Absurd mutet für mich auch an, wie sehr manche deutsche Kinder hofiert werden. Die Kinderzimmer platzen vor den neuesten Spielzeugen und Konsolen, sodass die Kinder kaum noch aus ihnen heraus kommen. Andererseits gibt es in Cloppenburg in den Neubausiedlungen kaum noch frei zugängige Bolzplätze. Und wenn man auf der Straße spielt, dauert es vermutlich nicht lange, ehe sich der Nachbar belästigt fühlt.
In Kathputli Colony, dem Slum, aus dem meine ehemaligen Schüler kommen, ist es das komplette Gegenteil: Hier sind die Kinder ständig im Slum unterwegs und bekommen – wenn überhaupt – nur das Nötigste an Fürsorge. Dafür spielen sie mit Murmeln oder Cricket. Selten allein, häufig zusammen. So ein enges soziales Netz wie in dieser Gemeinschaft hat auch viele Nachteile, vor allem im Hinblick auf die Wahlfreiheit jedes einzelnen in Bezug auf seine oder ihre eigene Biographie.
Deshalb ist es mir wichtig, immer Vorteile zu sehen, durch die man lernen kann. Die Vorteile, die unsere Lebensart hier in Deutschland hat. Und die Vorteile die die Lebensart dieser Menschen hat. Es gibt weder schwarz, noch weiß. Wie wir leben, hängt viel mit unserer Geschichte, unserem Selbstverständnis, unserer finanziellen Situation zusammen. Gerade Letzteres sollte aber nicht zum alles bestimmenden Faktor werden. Ich möchte keinesfalls hier ein Plädoyer halten nach dem Motto: „Schaut nach Indien, mit welcher natürlichen Freude diese armen Menschen dort leben!“ Das ist mir zu platt. Einige Probleme, die wir uns hier in Deutschland durch unseren Wohlstand erst schaffen, können wir aber auch ganz einfach wieder begraben. Zum Beispiel der Zwang, dass für jedes Kind ein neuer Kinderwagen gekauft werden muss.
Das werde ich sicherlich aus meinem Jahr als Erkenntnis mitnehmen: Ich werde meinen Wohlstand ausnutzen, wo ich es für sinnvoll und nötig halte. Und wo es mir einen echten Gewinn bringt.
Bezogen auf Verhaltens- und Denkweisen suche ich mir das heraus, was mir besser gefällt. Es heißt immer, die sogenannten „Entwicklungsländer“ können nur von uns „Industrienationen“ lernen. Dabei ist die Wahrheit: Auch wir, die angeblich weit entwickelten Westeuropäer, können noch viel von anderen Nationen und Kulturen lernen. Oder müssen es vielleicht sogar.
Kurz vor meiner Rückkehr habe ich mich sehr auf Deutschland gefreut. Die Vorfreude war berechtigt. Deutschland wird immer meine Heimat werden. Was nicht heißt, dass ich nicht für einen längeren Zeitraum mal wieder in einem anderen, uns ganz fremd anmutenden Land heimisch werden kann. Mein bisheriges Leben und meine bisherigen Erfahrungen haben mir ermöglicht, ganz einfach wieder in Deutschland anzukommen. Es war nur ein kurzer Kulturschock. Ein Kulturschock 2.0, ich musste mich erst wieder an das Gewohnte gewöhnen. Das ging ziemlich schnell. Denn viele Werte unserer Gesellschaft habe ich die ganze Zeit über weiter in mir getragen.

Überhaupt wird gerne über Werte gesprochen. Werte, die eine Gesellschaft, eine Kultur auszeichnen. Vom Wert des Geldes ist dabei nicht so oft die Rede. Dabei ist er es eigentlich, der in unserer und auch in der aufstrebenden indischen Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielt. Lasst uns doch mal wieder einen stärkeren Fokus auf die anderen Werte legen!

Freitag, 23. August 2013

Der letzte Tag


Es ist soweit, in weniger als zwölf Stunden sitze ich schon im Flugzeug nach Dubai. Ein echtes Wechselbad der Gefühle, dieses Abschiednehmen und Ankommen, kann ich euch sagen!
Trotzdem: An dieser Stelle ein großes DANKESCHÖN für’s Lesen dieses Blogs und das (oftmals positive) Feedback. Ich werde eventuell noch einen Eintrag über das Ankommen in Deutschland schreiben, aber das kann etwas dauern. Auf jeden Fall freue ich mich, euch wiederzusehen!

Als kleine Belohnung für’s Lesen gibt es jetzt noch die Fotos von meinem letzten Tag bei „Kalakar Trust“:

Shekhu und Raunak, meine zwei Spezialisten.

Wenn ich kurz davor war, umzufallen, haben mich die Kinder
immer wieder aufgefangen...

Meine jüngeren Englischschüler

Sachin und Rinku im "Yo-Yo-Honey-Singh"-Style
(indischer Rapper)

Noch mal die Englischschüler.

Rohan spielt "Baby".

Meine Englisch- und Gitarrenschüler zusammen mit meiner
ehemaligen Kollegin Priyanka.

Ram ist älter... und stärker als ich.

Ritick, beta (Hindi für: "Sohn") - eine gängige Formel
hier.

Meine ganz besondere Erinnerung an die
Kalakar (Künstler): Meine selbst gemachte
Holzpuppe

Ajays Abschiedsbrief - zusammen mit einer alten Holzkette
das schönste Geschenk seit langem - auch wenn ich bezweifle,
dass er es selbst geschrieben hat. ;)

Mittwoch, 21. August 2013

Die zwei Augen des Abschieds

Gehst du heute zurück nach Deutschland?” – „Nein, erst in zwei Wochen.” – „Zwei Wochen? Nein, Sir!” Traurige Augen, dann eine Umarmung. Momente wie dieses kurze Gespräch (im Englisch-Hindi-Kauderwelsch) mit meinem Englischschüler Rohan zeigen mir, dass ich nicht alles falsch gemacht habe bei meiner Arbeit in diesem Jahr.
Nur zu gut erinnere ich mich an die Anfangszeit, als ich mich fragte, wie ich jemals den Umgang mit diesen Kindern lernen sollte, die weder meine Sprache verstanden, noch im Geringsten Interesse an meinem so schön vorbereiteten Unterricht zeigten. Noch klar vor Augen habe ich eine meiner ersten Stunden, in der die Schüler die Bibliothek verwüsteten. Obwohl ich mir nach diesem Erlebnis geschworen hatte, nie wieder eine Klasse dorthin zu nehmen, tat ich es später – wenn auch notgedrungen - wieder. Und es klappte. Nicht, dass die Schüler mittlerweile in meinem Unterricht sitzen und vor Ehrfurcht erstarrt meinen Worten lauschen. Es gibt auch immer noch Stunden, in denen ich verzweifelt meinen längst nicht mehr so ehrgeizigen Plan aufgebe und mich dem Chaos hingebe oder brüllend versuche, es zu beseitigen. Diese Stunden sind jedoch seltener geworden. Zum Glück.
Oft konnte ich in diesem Jahr meinen Unterricht durchführen; ob die Schüler in jeder Stunde etwas gelernt haben, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Aber wir haben uns aneinander gewöhnt. Meine Hindi-Kenntnisse sind zwar grammatikalisch eine vollendete Katastrophe, sie reichten jedoch aus, um den Schülern klar zu machen, was ich von ihnen wollte. Außerdem haben die meisten begriffen, dass der nette “Sir” da vorne auch wütend werden und eine Drohung ernst meinen kann. Auch wenn er sich manchmal zum Clown macht – und das sogar absichtlich.
Ich konnte und wollte es einfach nicht lassen, ein paar Späße im Unterricht zu machen. Also muss ich mich nicht wundern, dass die kleinen Mädchen meiner ehemaligen Kollegin Priyanka erzählten, ich sei für sie vielmehr ein großer Bruder als ein Sir. Und manche Jungen von ihren Lehrerinnen ermahnt wurden, weil sie den “Sir” hinter “Benny” einfach vergaßen.
Doch stört mich das? Nein. Ich muss einfach selbst lachen, wenn mich Muskan perfekt nachäfft, wie ich versuche, die Handvoll schnatternder Mädchen zu beruhigen – mit einem lang gezogenen “Sunno” (Deutsch: Hört zu!). Mich freut es, wenn der kleine Nikhil sich von hinten an mich anschleicht, um mir blitzschnell zwischen die Rippen zu piksen. Oder Suman lacht, weil ich das Wasser aus meiner Flasche mehr oder weniger in mich hineinschütte. Innerlich lächle ich, wenn sie – ganz unauffällig natürlich – ihre Freundinnen darauf aufmerksam macht, wie komisch der Sir doch trinkt, und mich anschließend ein paar beschämt kichernde Mädchen anschauen. Oder wenn Sumit RN mit einem freudigen “This is my Sir!” auf mich zukommt und mich fest drückt.
Bei diesen jüngeren Schülern kann man sich wirklich die Frage stellen, ob mein Freiwilligendienst etwas gebracht hat. Auf intellektueller Ebene kurzfristig betrachtet sicherlich kaum etwas. Langfristig gesehen vielleicht schon mehr. Und wenn nicht, dann haben wir eine schöne Zeit erlebt. Ich war für manche der große Bruder, den sie nicht haben. Sie waren für mich wie meine Kinder, die ich (noch) nicht habe.

Greifbarer wird der Sinn und Erfolg meines Dienstes indes bei meinen älteren Englisch- und Gitarrenschülern. Doch auch hier habe ich – neben sichtbaren Fortschritten – zu einigen eine sehr persönliche Beziehung aufgebaut, die es mir schwer machen wird, Abschied zu nehmen. Am Anfang kam ich als Lehrer, am Ende gehe ich als Freund. Der Spaß, den ich mit ihnen hatte, ist unbezahlbar. Auf Neu-Deutsch war mein Freiwilligendienst somit unter dem Strich eine “Win-Win-Situation”.
Wobei man den persönlichen Gewinn für mich nicht unterschätzen darf. Alles in allem profitiere ich deutlich mehr von diesem Auslandsjahr als meine Organisation von meiner Anwesenheit.
Ich habe in diesem Jahr gelernt, wie es ist, weit weg von Zuhause zu leben. In ein völlig neues Umfeld zu stoßen, mich in einer komplett anderen Kultur zurecht zu finden. In vielen Fällen stärker denn je auf mich alleine gestellt zu sein oder andere Ansprechpartner als gewöhnlich zu haben. In eine komplett neue Rolle zu schlüpfen.
Am Ende dieser fast zwölf Monate stelle ich stolz fest: Es ist mir erstaunlich gut gelungen. Die meiste Zeit lang habe ich mich in Delhi sehr wohl gefühlt, gegen Ende – als ich paradoxerweise endgültig Fuß gefasst hatte – wurde die Sehnsucht nach Deutschland immer größer. Es gab Aufs und Abs, es gab hellere und dunklere Zeiten. Richtig dunkel war es aber nie. Es ist verrückt, wie viel sich in einem Jahr verändern kann. „Ein ganzes Jahr ist eine halbe Ewigkeit”, singen die „Toten Hosen” in einem ihrer Songs. In gewisser Hinsicht haben sie Recht. An die letzte „halbe Ewigkeit” erinnere ich mich indes so gut wie an keine andere zuvor. Vermutlich wird sie mich auch stärker prägen als jede andere.
Denn eines muss ich mir eingestehen: Ich habe diese Jahr vor allem für mich selbst gemacht. Ich habe erfahren, wie “deutsch” ich in mancher Hinsicht denke und handle. Mir ist bewusster geworden, wie stark wir von einer Gesellschaft, ihrer Kultur und unserem Elternhaus beeinflusst sind. Manchmal im negativen, manchmal im positiven Sinne. Es bringt nichts, das zu leugnen. Ich bin wie ich bin. Entweder ich passe in ein Land, in seine Kultur und  das dortige (Arbeits-)Umfeld. Oder eben nicht.
Zwischen Indien und mir hat es ein Jahr lang erstaunlich gut gepasst. Ich habe mich angepasst. Ich habe gelernt, Dinge besser verstanden im Laufe der Zeit. Ganz am Anfang habe ich von den vier Wänden im Kino geschrieben. Auf jeder dieser Wände wird ein eigener Film gespielt. Ich war unsicher, ob ich die Filme jemals verstehen würde.
Heute weiß ich: Vier Leinwände reichen bei weitem nicht aus, um Indien abzubilden. Dafür ist dieses Land einfach zu vielschichtig. Es gibt ganz viele verschiedene Ebenen. Sie sind alle irgendwie miteinander verbunden. Manchmal sind die Verbindungen deutlich, manchmal verworrener. Einige konnte ich erkennen, für andere bräuchte es wohl mehr Zeit. Und wieder andere werde ich wohl nie vollends nachvollziehen können, was allein an meinem persönlichen Hintergrund liegt.
Mein Lernprozess spiegelt sich auch in diesem Blog wider. Manchmal habe ich zu vorschnell geurteilt oder mich unbedacht geäußert. Daraus versuche ich für die Zukunft zu lernen. Außerdem sind die hier geäußerten Ansichten ausschließlich meine persönliche Meinung. Alle Erfahrungen, die ich gemacht habe, sind ganz individuell. Wer Indien kennenlernen will, muss selbst für eine längere Zeit dorthin gehen.
Ich verlasse das Land mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Freude ist groß, weil ich endlich wieder in die Heimat fliege.
Traurig macht mich das Wissen, dass dieses Jahr, dieses Leben, das ich hier geführt habe, einmalig war. Es wird so nie wiederkommen.
Nie wieder werde ich mit Raunak, Shekhu, Sumit, Gautam und Suraj im Garten der Schule Fussball spielen. Nie wieder (oder erst, wenn ich irgendwann wiederkomme) werde ich mit Pawan, Harish, Kishan und Sanjay auf der Gitarre “Meri Maa” singen.
Sicherlich, die Arbeit war – wie das ganze Leben in der Megacity Delhi – oft anstrengend. Nicht immer bin ich glücklich gewesen am Ende des (Arbeits-)Tages. Aber oft genug haben mir meine Schüler ein Lächeln auf die Lippen gezaubert.

Ich möchte wieder kommen, möglichst  bald, um all diejenigen Menschen wiederzutreffen, die ich hier lieb gewonnen habe. Ich möchte sehen, wie sich die Sumits und Priyas und ihr Zuhause entwickeln. Ich sehe mich schon wieder am Indira Gandhi Airport von Delhi landen. Bis es erneut soweit ist, werde ich mit einem wehmütigen Lächeln an die Zeit zurückdenken und Rohans traurige Augen als Ansporn sehen, zurückzukehren. 

Bei den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag (15.8.) am Dienstag, 13.8., hatte ich mal wieder die Gelegenheit, Fotos in der Schule zu schießen:








Sonntag, 18. August 2013

Der indische Elefant


Man nehme gut neun Mal die Fläche der Bundesrepublik Deutschland und multipliziere die Bevölkerungszahl mit dem Faktor 15. Herauskommt, zumindest statistisch gesehen, der zweitbevölkerungsreichste Staat der Welt: Indien. Geographisch, politisch und gesellschaftlich liegen zwischen diesen beiden Ländern indes Welten, manchmal im positiven, manchmal im negativen Sinne.
Wobei die Wahl der Begriffe „positiv“ und „negativ“ natürlich immer auf subjektiven Eindrücken beruht. Dem einen mag es völlig egal sein, dass die Läden selten feste Öffnungszeiten haben und auf Pünktlichkeit öfters nicht so viel Wert gelegt wird. Dem anderen – laut Klischeebild, dem typischen Deutschen – stoßen solche Dinge dagegen sauer auf. Letztendlich kann man sich an diese Gegebenheiten aber noch ganz gut anpassen. Ich glaube auch, dass ich in diesem Jahr in vielerlei Hinsicht entspannter geworden bin, in anderer Hinsicht – bei hartnäckigen Verhandlungen etwa – stieg indes mein Aggressionspotenzial mit der Zeit. In mancher Hinsicht bin ich – Vorsicht, Klischees! – sehr „deutsch“ geblieben, in anderer hingegen „indischer“. Wahrscheinlich werde ich jedoch erst nach meiner Rückkehr feststellen, wie ich mich verändert habe.
Mit zunehmender Zeit ist mir aufgefallen, dass alle kulturellen Unterschiede eine Ursache haben. Nicht immer liegt der Grund so nahe, wie beim Faible der meisten Inder für’s Drängeln. Bestes Beispiel ist hier der Metro-Umsteigebahnhof „Central Secretariat“.  Die Station ist Endhaltestelle für die Züge der violetten Linie. Demnach müssen alle Fahrgäste aussteigen. Anschließend fährt der Zug die gleiche Strecke zurück, muss also gleichzeitig wieder mit Fahrgästen aufgefüllt werden.  Anstatt dass die wartenden Passagiere warten, bis der Zug leer ist, beginnt nach den ersten Fahrgästen ein unvorstellbares und auch nicht ungefährliches Geschiebe und Drängeln. Die ersten rennen im Waggon dann wie wild umher, um  sich einen der Sitzplätze zu ergattern. Meistens sind die eifrigsten dabei die jungen Männer. Aus meiner Sicht einfach nur unverständlich, aber vermutlich auf einen einfachen Fakt zurückzuführen. Welchen? Schauen wir auf die indische Bevölkerungszahl: 1,2 Milliarden Menschen leben in diesem Land. Fast ein Fünftel der Weltbevölkerung. Da ist es schon weniger verwunderlich, dass jeder auf den eigenen Vorteil bedacht ist, vor allem in einer dermaßen überfüllten Mega-City wie Delhi.
Das gleiche Phänomen – das der hohen Bevölkerungszahl – hat aber auch angenehme Auswirkungen. Hier sitzt man enger beieinander. Ob beim Essen mit der Familie, falls man auf recht engem Raum wohnt oder bei der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln. In Deutschland ist es wohl kaum vorstellbar, dass in einer recht  leeren Straßenbahn, in der fast jeder einen Sitzplatz bekommen könnte, alle Plätze belegt sind. In der Delhi Metro ist es hingegen die Regel.
Die hohe Bevölkerungsdichte trifft natürlich längst nicht auf Gesamtindien zu. Wenn man mit dem Zug über das Land fährt, sieht man weite, kaum bebaute Flächen. In den Städten hingegen tummeln sich die Menschen.
Noch zeichnen sich kaum politische Lösungen für die Landflucht und die daraus resultierenden Probleme ab. Klar ist, irgendwann muss sich etwas ändern. Denn wenn die Luftverschmutzung weiter drastisch zunimmt, wird das Leben in Delhi fast unmöglich.
Gleichwohl hat es die zumindest auf dem Papier demokratische Regierung ungleich schwerer als etwa die diktatorische in China. Entscheidungen lassen sich hier nicht einfach von der Kommunistischen Partei zwanghaft durchsetzen.
Demokratisch nach unserem Verständnis ist die „größte Demokratie der Welt“ indes nicht. In Aravind Adigas Buch „Der Weiße Tiger“ wird beschrieben, wie die Stimmen ganzer Dörfer gekauft werden vor Wahlen. Und um die Pressefreiheit ist es auch alles andere als rosig bestellt. In der letzten Rangfolge der von Reporter ohne Grenzen lag Indien auf Platz 140 von 178, sieben Plätze hinter Simbabwe. Ein Grund liegt sicherlich darin, dass die Pressefreiheit nicht einmal durch die Verfassung geschützt ist, sondern sich aus der unklar formulierten Meinungsfreiheit ergibt.
Stimmenkauf und Situation der Medien sind nur zwei Beispiele für die Missstände.
Aber kann Indien überhaupt eine Demokratie nach westlichem Vorbild sein?
Der Vergleich zwischen Deutschland und Indien oben zeigt: Die Voraussetzungen sind grundverschieden. Es verhält sich – bezogen auf die Ausdehnung beider Länder –wie mit der Maus und dem Elefanten. Das politische System in Indien stammt aus einem anderen historischen Kontext und trifft auf eine andere gesellschaftliche Realität. Offensichtlich ist: Irgendwann wird sich etwas ändern müssen in diesem Land.
Wie der Wandel aussehen wird, darauf bin ich sehr gespannt.
Ich habe ein Jahr in Delhi gewohnt, aber gleichzeitig einige Regionen des Landes ganz kurz kennengelernt. Ich habe die beiden anderen riesigen Metropolen, Mumbai im Westen und Kolkata im Osten, gesehen, in denen der krasse Gegensatz zwischen Arm und Reich wie in Delhi augenscheinlich wird. Ich war in den bergigen, kaum bewohnten Regionen des Vorderhimalayas im Nordosten und im reichsten Bundesstaat Indiens, in Kerala. Und auf Zugfahrten habe ich einen Blick auf die Landbevölkerung werfen können, manchmal bin ich im Urlaub auch kurz in solche Regionen gekommen.
Die Ausmaße dieses Landes sind unglaublich. Auf allen meinen Reisestationen habe ich die unterschiedlichste Art von Menschen kennengelernt, in Bezug auf ihr Aussehen und auf ihr Verhalten.
Ich habe einen Eindruck von der Vielfalt dieses Landes bekommen, die sich mehr noch als in Zahlen im Alltag widerspiegelt. Vielfalt kann viele Probleme hervorrufen, Vielfalt kann aber auch eine Chance sein. Indien sollte sie für seine Zukunft als Chance begreifen.

Dafür ist aber eine Erkenntnis erforderlich, die ein älterer Englischschüler in meiner Schule schon gewonnen hat. Der letzte Donnerstag, der 15. August, an dem der Staat seine Unabhängigkeit aus der britischen Kolonialherrschaft feiert, wäre der ideale Start, um – bei aller Vielfalt – den von dem Schüler festgestellten Fakt mit mehr Leben zu füllen. Er sagte hinsichtlich der Unterschiede zwischen den Landesteilen: „Wir sind alle Inder!“

Mittwoch, 7. August 2013

Für immer fremd


Varanasi, die „heilige Stadt“ am Ganges, Ziel vieler hinduistischer Pilger und Schauplatz der traditionellen Totenverbrennung, war am letzten Wochenende der letzte Urlaubsort meines Indienaufenthaltes. Der zwölf Stunden Zugfahrt von Delhi entfernte und vom Reiseführer Lonely Planet als möglicher „Höhepunkt der Indienreise“ angekündigte Ort entpuppte sich trotz der Monsunzeit als Quelle der hinduistischen Spiritualität. Es waren allerdings weniger Pilger als erwartet unterwegs. Weil der Ganges den höchsten Wasserstand seit vielen Jahren aufweist, sind die sogenannten Ghats alle überflutet. Von diesen Steintreppen, die ins Wasser führen, steigen die Gläubigen hinab, um ein Bad im für Hindus heiligen Ganges zu nehmen. Hier können sie sich laut hinduistischer Lehre von ihren Sünden reinwaschen. Dabei stört es die Pilger auch nicht, dass der Fluss eher einer fließenden, braunen Schlammlawine mit unzähligen Schadstoffen und Bakterien gleicht. Wir haben sogar eine alte Frau, deren Kleider vom Wasser durchtränkt waren, sich eine Anhöhe hinauf schleppen sehen.
Viel auffallender waren indes unzählige komplett in orange gekleidete Pilger, die mit bunt geschmückten Stangen in Richtung Fluss marschierten und dabei Parolen riefen. Man konnte sich durchaus an Karl Marx‘ berühmtes Zitat mit der Religion, die Opium für das Volk sei, erinnert fühlen. Vor allem in der Abenddämmerung herrschte rund um die überfluteten Ghats reges Treiben, wobei ich die Stadt gar nicht so chaotisch fand, wie sie beschrieben wird. Ein Jahr in Delhi härtet eben ab.
Und es macht auch müde. Müde, weil man immer wieder mit Betrügern und Halsabschneidern zu tun hat. Dass die Schlepper und Rikscha-Fahrer in Delhi nervig sind, wusste ich. Dass sie in Varanasi sogar noch nerviger sind, konnte ich mir höchstens denken, schließlich handelt es sich um eine Touristenhochburg. Selbst wenn wir – ich reiste mit meinen Mitfreiwilligen Tine und Liane – endlich in einer Auto-Rikscha saßen, konnten wir nicht sicher sein, dass man nicht doch noch versucht, den Profit hinten herum in die Höhe zu treiben. Das ist in Delhi dann doch eher die Ausnahme.
Die perfideste Strategie, Touristen Geld abzuknöpfen, verfolgten aber Männer am sogenannten burning ghat, an dem die Toten nach hinduistischer Tradition verbrannt und eingeäschert werden.
Touristen dürfen wie auch jeder andere Bürger auf das Dach eines Gebäudes steigen, von wo aus man sieht, wie die verhüllten Leichen herbeigetragen, das Holz für die Verbrennung abgewogen wird und die Feuer am Brennen sind. Bei dieser intimen Zeremonie ist Fotografieren natürlich verboten. Eintritt wird selbstverständlich auch nicht genommen.
Wir waren zweimal an diesem Ghat. Beim ersten Mal sagten uns die Männer am Eingang sehr deutlich, wir müssten den auf der ersten Etage bettelnden Frauen eine Spende geben. Ich war schon da skeptisch, letztlich gaben wir aber eine kleine Spende. Als uns beim zweiten Mal der gleiche Unsinn erzählt wurde mit dem Zusatz, es müssten 100 Rupien (ca. 1,30 Euro) gespendet werden, gingen wir nicht darauf ein. Daraufhin versperrte der Mann uns den Weg und wurde regelrecht aggressiv. Zum Glück konnte Tine mit einer in ihrem sehr guten Hindi vorgetragenen Bitte erreichen, dass wir nach oben gelassen wurden; die Stimmung war uns aber vermiest.
Es sind solche Vorkommnisse, die mir das Gefühl geben, vorerst genug von Indien zu haben. Es gibt auch jede Menge gastfreundliche und hilfsbereite Menschen in diesem Land, keine Frage. Doch leider muss man immer auf der Hut sein, nicht einem Betrüger auf den Leim zu gehen.
Ich habe das Gefühl, ein wandelnder Geldbeutel zu sein, aus dem fast jeder seinen Anteil haben will. Sicherlich bin ich im Vergleich zu einem Großteil der indischen Bevölkerung reich – und erst recht privilegiert, etwa indem ich krankenversichert bin. Ich kann auch verstehen, dass ein armer Rikscha-Fahrer bei mir ein Geschäft wittert. Dabei finde ich es nicht einmal dramatisch, wenn ich ein paar Rupien zu viel zahle. Wenn aber ein Basarverkäufer versucht, mir einen Regenmantel für 1850 Rupien anzudrehen, für den ich am Ende 300 zahle, hört der Spaß für mich langsam auf. Immerhin kann ich mit meinen paar Sätzen signalisieren, dass ich keiner der typischen westlichen Touristen bin. Dann läuft es oft schon besser, wenn auch längst nicht immer.
Die Politik der unterschiedlichen Preise je nach Nationalität wird sogar von offizieller Seite gefahren. An Touristenattraktionen kommen Inder generell für zehn oder zwanzig Rupien rein (etwa 12 bis 22 Cent), während Ausländer das zehn- bis zwanzigfache des Preises zahlen. Das finde ich aber durchaus in Ordnung. Schließlich haben Touristen deutlich mehr Geld als viele Inder und die Preise sind aus europäischer Sicht immer noch human. Zumal Ausländer wie ich, die für einen längeren Aufenthalt registriert sind und das entsprechende Dokument vorlegen können, meistens nur den Preis für indische Besucher zahlen müssen.
Absurd waren die Eintrittspreise hingegen an einem kleinen Freizeitgelände bei Varanasi. Hier wurde nicht nur zwischen Indern und Ausländern unterschieden, sondern auch innerhalb der Gruppe der Ausländer. So wurde von Asiaten ein niedrigerer Eintritt verlangt als von „anderen Ausländer“.  Woran macht man aber bitte meine Nationalität fest? Etwa am Aussehen? Oder wird tatsächlich der Reisepass kontrolliert? In dem steht unter Nationalität aber „Deutsch“. Ich bezweifle, dass der Ticketverkäufer diese Bezeichnung „Germany“ zuordnen kann.
Dies ist nur eine kleine Episode aus lauter kleinen Geschichten, die ich erzählen könnte, um Rassismus in Indien zu beschreiben. Er wird hier deutlich offener gezeigt, ist nicht so unterschwellig wie in Deutschland manchmal. Weiße werden oft sogar bevorzugt, wenn es nicht ums Zahlen von Preisen geht. Das kann auch Gastfreundlichkeit sein, die Bewertung ist schwierig, ich möchte sie hier gar nicht vornehmen. Gegenüber Schwarzen und Indern mit dunklerer Hautfarbe wird die Diskriminierung schon augenscheinlicher. Ich habe selbst nur ein paar Beispiele erlebt, die Art und Weise, wie meine Gesprächspartner häufig über diese Menschen reden, ist aber in der Regel abschätzig.
Obwohl ich nicht selten mit manchmal sogar übertriebener Höflichkeit behandelt werde, kann ich mich nicht heimisch fühlen in diesem Land. Vielleicht gewinne ich einen kleinen Eindruck davon, wie es Ausländern in Deutschland ergeht. Einen Vergleich kann ich natürlich gar nicht ziehen. Ich finde es auch gar nicht schlimm, wenn Leute bei einem Gespräch unter Deutschen interessiert schauen. Tun wir nicht oft dasselbe, wenn wir eine türkische oder dunkelhäutige Familie in der Straßenbahn auf ihrer Muttersprache reden hören?
Was mich stört, sind die manchmal starrenden Blicke. Zusammen mit dem Bild vom „reichen Weißen“ sind sie ein Hauptgrund für meine Resignation bezüglich Indien und die Vorfreude auf Deutschland.
Natürlich habe ich viel mehr gute Erfahrungen gemacht als schlechte. Ich werde Indien mindestens mit einem weinenden Auge verlassen. Ein großes, alles umfassendes  Fazit werde ich dann in einem meiner nächsten Einträge ziehen.
Ganz besonders aufschlussreich war bisher indes eine Erkenntnis: Deutschland ist meine Heimat und wird es auch immer bleiben. Hier bin ich die ersten 19 Jahre meines Lebens aufgewachsen, die deutsche Kultur hat mich geprägt. Ich kann mich an ein Land anpassen, aber meine inneren Werte werden sich – wenn überhaupt – nur ganz langsam ändern.

Nach diesem Jahr bin ich hungrig, noch viele andere Länder und deren Kulturen kennenzulernen. Erst einmal heißt es jedoch back to the roots. Denn ich habe gemerkt, wie deutsch ich in vielerlei Hinsicht doch bin.

Die Links zu meinen letzten beiden Artikeln in der Nordwest Zeitung:

http://www.nwzonline.de/cloppenburg/wirtschaft/kastensystem-ist-noch-praesent_a_7,2,1598569614.html

http://www.nwzonline.de/cloppenburg/wirtschaft/exporte-gehen-in-die-ganze-welt_a_8,2,3285919118.html

Und Fotos aus Varanasi:

In den engen Gassen der Altstadt sind wir untergekommen.
Dabei sind wir auf ein altes Indien-Klischee getroffen: In der
"heiligen Stadt" gibt es jede Menge Kühe!

Spielende Kinder vor einem nepalesischen Tempel.

Fröhlich am Ghat.

Eines der überschwemmten Ghats.

Auflauf am Abend in der Nähe eines solchen Flusszuganges.
Ein orange gekleideter Pilger trägt seinen geschmückten Stab.

 Tine und Liane bei... ja wobei eigentlich?

5.30 Uhr...

...am Samstagmorgen...

...Sonnenaufgang...

...über Varanasi

 Ein buddhistischer Tempel auf dem Gelände der hoch
angesehenen Universität der Stadt.

Tine und ich am Ausgang des Tempels.

Eine Fakultät der Universität, versteckt hinter Palmen.

Die orange gekleideten Pilger strömen zu den Ghats.

Buddha-Statuen neben dem Tempel

Drei Indien-Klischees, vereint auf einem Bild: Die Säulen
eines Tempels, ein Junge mit Cricket-Schläger in der Hand
und im Hintergrund Kühe. Das Positive an Klischees: Sie
zeigen manchmal durchaus einen Teil der Wirklichkeit.

Ausblick von der Dachterrasse unseres Gästehauses auf
die Stadt 

Abschied aus Varanasi: Am architektonisch anspruchsvoll
gestalteten Bahnhof

Mittwoch, 31. Juli 2013

Auf den Spuren des Tees


Fast jeder kennt ihn, aber kaum einer weiß, woher er seinen Namen hat: der „Darjeeling-Tee“. Zusammen mit Alex, einem anderen Freiwilligen meiner deutschen Organisation VIA e. V., bin ich zunächst gen Osten geflogen. Angekommen am Flughafen von Bagdogra im Bundesstaat Westbengalen, setzten wir uns in einen Sammeljeep (in ein solches Gefährt passen bis zu 14 Personen) Richtung Darjeeling. Darjeeling ist eine für indische Verhältnisse kleine Stadt mit rund 120.000 Einwohnern in 2000 Metern Höhe. Das ist die sachliche Beschreibung. Die etwas freiere, aber mindestens genauso treffende, lautet: Darjeeling ist ein Labyrinth in den Anfängen des Himalayas, in dem man sich ziemlich leicht verlaufen kann.
Die Straßen verlaufen parallel am Berghang entlang und sind mitunter durch Treppen miteinander verbunden. Am Tag, wenn in den engen Gassen Gemüse, frisch geschlachtetes Hähnchenfleisch und andere Lebensmittel gehandelt werden, herrscht reges Treiben, abends gleicht der Ort mit Anbruch der Dunkelheit schon fast einer Geisterstadt. In der Hauptsaison kann man vom Aussichtspunkt die Achttausender des Himalayas bestaunen, während unserer Reise in der Nebensaison trübte meistens der Nebel die Sicht.
Zum Entspannen war Darjeeling aber genau richtig, denn Delhis mittlerweile schwül-heißes Klima, der altbekannte Lärm und die Menschenmassen machen die Stadt weiterhin auf Dauer schwer erträglich – auch wenn sie ihre schönen Seiten hat, keine Frage. In Darjeeling war es dagegen angenehm kühl, ruhig und überhaupt nicht schwül. Zwar hat der Monsun zwischenzeitlich seine Regen geschickt, aber sie waren nie so lang, dass sie uns den Tag hätten verderben können. Zwei Tage haben wir in Darjeeling verbracht, das Highlight war natürlich der Besuch der an die Plantage angrenzenden Teefabrik. Von der asphaltierten Straße stiegen wir auf einem Pfad zwischen den Teepflanzen hinunter ins „Happy Valley“, den Ursprungsort des weltberühmten Tees. Kurz vor der Fabrik fing uns erst einmal die – wie sich später herausstellte – Frau des Nachtwächters ab und lud sich zu uns ein. Sie erzählte uns erst einmal etwas über die verschiedenen Tees und ihre Qualität, die sie uns dann später – wen wundert’s – verkaufen wollte. Der im „Happy Valley“ geerntete und verarbeitete Tee wird nämlich nicht zum Verkauf vor Ort angeboten, sondern direkt nach Kolkata (Kolonialname: Kalkutta) transportiert, dort verpackt und anschließend in die ganze Welt verschifft. Deswegen hätten wir nur bei ihr originalen „Happy-Valley-Tee“ bekommen, den die Arbeiterinnen an sie verkaufen, um ihr schmales Gehalt zu erhöhen. Die Aktivitäten der Dame sind den Verantwortlichen in der Fabrik auch höchst suspekt, wie wir auf unserem anschließenden kurzen Rundgang durch die Fabrik erfuhren. Dort hätten wir am Ende auch noch Tee kaufen können, allerdings nur den in Kolkata verpackten. Und weil wir den auch in Deutschland bekommen, setzten wir uns ohne „Happy Valley“-Tee  in einen Sammeljeep in Richtung Norden. Nach Sikkim.
Sikkim ist ein winziger indischer Bundesstaat, in dem man aufgrund der Berge des Himalayas aber nur schleppend vorankommt. Genauso wie Darjeeling liegt er auf dem schmalen Streifen, der nördlich von Bangladesch die oft vergessenen Nordoststaaten mit dem restlichen Indien verbindet. Umgeben wird Sikkim von Nepal, China und dem Königreich Bhutan. Doch nicht nur geographisch kommt Sikkim eine Sonderrolle zu. Ausländer brauchen eine rein formelle Einreisegenehmigung die wir auch fast problemlos bekommen haben.
Sikkim ist schon während der Hochsaison nicht von Touristen überlaufen, im Moment herrscht fast überall tote Hose. Nach einem Zwischenstopp an der Grenze kamen wir am Abend des vierten Tages in Ravangla an, einem kleinen Ort, in dem man sich bei Dunkelheit wie in einem Gruselfilm vorkommen kann. Wenige, zumeist schäbige Hotels, ein paar herumlungernde Personen und etliche Alkoholshops haben uns dazu bewogen, möglichst schnell unser Hotelzimmer zu beziehen. Tagsüber ließ es sich in Ravangla durchaus aushalten, weshalb wir uns zumindest noch einen Buddha-Park anschauten – ein Muss in diesem buddhistisch geprägten Bundesstaat.
Weiter ging die Reise nach zwei Nächten nach Pelling, in ein Dorf aus Hotels. Ich habe in Pelling kein einziges normales Wohnhaus gesehen! In der Hauptsaison muss diese Touristen-Hochburg heillos überlaufen sein. In der Nebensaison war sie indes das Gegenteil – ein einziges geöffnetes Restaurant konnten wir aufspüren. Die Qualität des Essens bestätigte zum Glück nicht den Eindruck der Speisekarte, die selbst für die hiesigen Verhältnisse eine Katastrophe war. Die Highlights: „Corny Patato“, „Bamboo Shoot“ und „Sandwish“. Werden bei letzterem etwa Strandträume wahr?
 Für die waren wir jedenfalls am falschen Ort. Dafür gab es Natur pur, und am Ankunftstag für diese Jahreszeit überraschend viel Sonnenschein mit einigen schönen Ausblicken.
Wir sind jedoch so von Delhi geprägt, dass uns die insgesamt fünf Tage in der Natur schon fast reichten.  Gut, abgesehen vom Grün gab es in Sikkim auch nicht sonderlich viel.
Weil die Busfahrt nach Kathmandu, die Hauptstadt des Nachbarlandes Nepal, aber eine reine Odyssee geworden wäre, nahmen wir den Nachtzug nach Kolkata. Raus aus der Ruhe, rein in den Trubel, den Lärm und den Dreck – um es einmal mehr überspitzt zu formulieren.
Die dritte Megastadt Indiens neben Mumbai und Delhi ist an einigen Stellen überraschend grün und hat prächtige koloniale Bauwerke. Die ärmeren Gebiete der Stadt sind vergleichbar mit denen in Delhi: Viele Bettler, feilschende Händler und jede Menge Menschen.
An die Hafenstadt Mumbai reicht Delhi sowieso nicht heran, aber auch Kolkata hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Hauptstadt: Den Hooghly River. Der Hooghly ist ein Fluss, den man entweder auf der Howrah Bridge, einer der verkehrsreichsten Brücken weltweit, oder mit der Fähre überqueren kann.
Delhi fällt somit in meinen persönlichen Megacity-Ranking auf den letzten Platz zurück. Dennoch war die Stadt jetzt für fast ein Jahr mein Zuhause, und ich habe sie an manchen Stellen zu schätzen gelernt. Trotzdem: Langsam wird es Zeit, ihr wieder den Rücken zu kehren.
Noch dreieinhalb Wochen bleiben übrig. Die Zeit vergeht rasend schnell. Der zehntägige Urlaub liegt auch schon eineinhalb Wochen zurück.
An dessen Ende checkten wir am Flughafen in Kolkata sogar schon im Terminal für internationale Flüge ein.

Unsere AirIndia-Maschine nahm ziemlich bald Kurs auf Europa, genauer: London. Sie machte allerdings noch eine Zwischenlandung in Delhi.

Die Reise in Bildern

Siliguri (Zwischenstopp)

Einladen, oder?


Darjeeling











Sikkim


 Eine Schule...

die den Schülern Mut macht.


Schulkinder auf dem Weg zum Unterricht. 


 Ein Kloster, idyllisch auf einem Hügel gelegen.




Kolkata

 Das bekannte Victoria Memorial.


In der Metro. 





 Auf dem Hooghly.


In der Tram.