Mittwoch, 31. Juli 2013

Auf den Spuren des Tees


Fast jeder kennt ihn, aber kaum einer weiß, woher er seinen Namen hat: der „Darjeeling-Tee“. Zusammen mit Alex, einem anderen Freiwilligen meiner deutschen Organisation VIA e. V., bin ich zunächst gen Osten geflogen. Angekommen am Flughafen von Bagdogra im Bundesstaat Westbengalen, setzten wir uns in einen Sammeljeep (in ein solches Gefährt passen bis zu 14 Personen) Richtung Darjeeling. Darjeeling ist eine für indische Verhältnisse kleine Stadt mit rund 120.000 Einwohnern in 2000 Metern Höhe. Das ist die sachliche Beschreibung. Die etwas freiere, aber mindestens genauso treffende, lautet: Darjeeling ist ein Labyrinth in den Anfängen des Himalayas, in dem man sich ziemlich leicht verlaufen kann.
Die Straßen verlaufen parallel am Berghang entlang und sind mitunter durch Treppen miteinander verbunden. Am Tag, wenn in den engen Gassen Gemüse, frisch geschlachtetes Hähnchenfleisch und andere Lebensmittel gehandelt werden, herrscht reges Treiben, abends gleicht der Ort mit Anbruch der Dunkelheit schon fast einer Geisterstadt. In der Hauptsaison kann man vom Aussichtspunkt die Achttausender des Himalayas bestaunen, während unserer Reise in der Nebensaison trübte meistens der Nebel die Sicht.
Zum Entspannen war Darjeeling aber genau richtig, denn Delhis mittlerweile schwül-heißes Klima, der altbekannte Lärm und die Menschenmassen machen die Stadt weiterhin auf Dauer schwer erträglich – auch wenn sie ihre schönen Seiten hat, keine Frage. In Darjeeling war es dagegen angenehm kühl, ruhig und überhaupt nicht schwül. Zwar hat der Monsun zwischenzeitlich seine Regen geschickt, aber sie waren nie so lang, dass sie uns den Tag hätten verderben können. Zwei Tage haben wir in Darjeeling verbracht, das Highlight war natürlich der Besuch der an die Plantage angrenzenden Teefabrik. Von der asphaltierten Straße stiegen wir auf einem Pfad zwischen den Teepflanzen hinunter ins „Happy Valley“, den Ursprungsort des weltberühmten Tees. Kurz vor der Fabrik fing uns erst einmal die – wie sich später herausstellte – Frau des Nachtwächters ab und lud sich zu uns ein. Sie erzählte uns erst einmal etwas über die verschiedenen Tees und ihre Qualität, die sie uns dann später – wen wundert’s – verkaufen wollte. Der im „Happy Valley“ geerntete und verarbeitete Tee wird nämlich nicht zum Verkauf vor Ort angeboten, sondern direkt nach Kolkata (Kolonialname: Kalkutta) transportiert, dort verpackt und anschließend in die ganze Welt verschifft. Deswegen hätten wir nur bei ihr originalen „Happy-Valley-Tee“ bekommen, den die Arbeiterinnen an sie verkaufen, um ihr schmales Gehalt zu erhöhen. Die Aktivitäten der Dame sind den Verantwortlichen in der Fabrik auch höchst suspekt, wie wir auf unserem anschließenden kurzen Rundgang durch die Fabrik erfuhren. Dort hätten wir am Ende auch noch Tee kaufen können, allerdings nur den in Kolkata verpackten. Und weil wir den auch in Deutschland bekommen, setzten wir uns ohne „Happy Valley“-Tee  in einen Sammeljeep in Richtung Norden. Nach Sikkim.
Sikkim ist ein winziger indischer Bundesstaat, in dem man aufgrund der Berge des Himalayas aber nur schleppend vorankommt. Genauso wie Darjeeling liegt er auf dem schmalen Streifen, der nördlich von Bangladesch die oft vergessenen Nordoststaaten mit dem restlichen Indien verbindet. Umgeben wird Sikkim von Nepal, China und dem Königreich Bhutan. Doch nicht nur geographisch kommt Sikkim eine Sonderrolle zu. Ausländer brauchen eine rein formelle Einreisegenehmigung die wir auch fast problemlos bekommen haben.
Sikkim ist schon während der Hochsaison nicht von Touristen überlaufen, im Moment herrscht fast überall tote Hose. Nach einem Zwischenstopp an der Grenze kamen wir am Abend des vierten Tages in Ravangla an, einem kleinen Ort, in dem man sich bei Dunkelheit wie in einem Gruselfilm vorkommen kann. Wenige, zumeist schäbige Hotels, ein paar herumlungernde Personen und etliche Alkoholshops haben uns dazu bewogen, möglichst schnell unser Hotelzimmer zu beziehen. Tagsüber ließ es sich in Ravangla durchaus aushalten, weshalb wir uns zumindest noch einen Buddha-Park anschauten – ein Muss in diesem buddhistisch geprägten Bundesstaat.
Weiter ging die Reise nach zwei Nächten nach Pelling, in ein Dorf aus Hotels. Ich habe in Pelling kein einziges normales Wohnhaus gesehen! In der Hauptsaison muss diese Touristen-Hochburg heillos überlaufen sein. In der Nebensaison war sie indes das Gegenteil – ein einziges geöffnetes Restaurant konnten wir aufspüren. Die Qualität des Essens bestätigte zum Glück nicht den Eindruck der Speisekarte, die selbst für die hiesigen Verhältnisse eine Katastrophe war. Die Highlights: „Corny Patato“, „Bamboo Shoot“ und „Sandwish“. Werden bei letzterem etwa Strandträume wahr?
 Für die waren wir jedenfalls am falschen Ort. Dafür gab es Natur pur, und am Ankunftstag für diese Jahreszeit überraschend viel Sonnenschein mit einigen schönen Ausblicken.
Wir sind jedoch so von Delhi geprägt, dass uns die insgesamt fünf Tage in der Natur schon fast reichten.  Gut, abgesehen vom Grün gab es in Sikkim auch nicht sonderlich viel.
Weil die Busfahrt nach Kathmandu, die Hauptstadt des Nachbarlandes Nepal, aber eine reine Odyssee geworden wäre, nahmen wir den Nachtzug nach Kolkata. Raus aus der Ruhe, rein in den Trubel, den Lärm und den Dreck – um es einmal mehr überspitzt zu formulieren.
Die dritte Megastadt Indiens neben Mumbai und Delhi ist an einigen Stellen überraschend grün und hat prächtige koloniale Bauwerke. Die ärmeren Gebiete der Stadt sind vergleichbar mit denen in Delhi: Viele Bettler, feilschende Händler und jede Menge Menschen.
An die Hafenstadt Mumbai reicht Delhi sowieso nicht heran, aber auch Kolkata hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Hauptstadt: Den Hooghly River. Der Hooghly ist ein Fluss, den man entweder auf der Howrah Bridge, einer der verkehrsreichsten Brücken weltweit, oder mit der Fähre überqueren kann.
Delhi fällt somit in meinen persönlichen Megacity-Ranking auf den letzten Platz zurück. Dennoch war die Stadt jetzt für fast ein Jahr mein Zuhause, und ich habe sie an manchen Stellen zu schätzen gelernt. Trotzdem: Langsam wird es Zeit, ihr wieder den Rücken zu kehren.
Noch dreieinhalb Wochen bleiben übrig. Die Zeit vergeht rasend schnell. Der zehntägige Urlaub liegt auch schon eineinhalb Wochen zurück.
An dessen Ende checkten wir am Flughafen in Kolkata sogar schon im Terminal für internationale Flüge ein.

Unsere AirIndia-Maschine nahm ziemlich bald Kurs auf Europa, genauer: London. Sie machte allerdings noch eine Zwischenlandung in Delhi.

Die Reise in Bildern

Siliguri (Zwischenstopp)

Einladen, oder?


Darjeeling











Sikkim


 Eine Schule...

die den Schülern Mut macht.


Schulkinder auf dem Weg zum Unterricht. 


 Ein Kloster, idyllisch auf einem Hügel gelegen.




Kolkata

 Das bekannte Victoria Memorial.


In der Metro. 





 Auf dem Hooghly.


In der Tram.