Auf den Spuren des Tees
Fast jeder kennt ihn, aber kaum einer weiß, woher er seinen
Namen hat: der „Darjeeling-Tee“. Zusammen mit Alex, einem anderen Freiwilligen meiner
deutschen Organisation VIA e. V., bin ich zunächst gen Osten geflogen.
Angekommen am Flughafen von Bagdogra im Bundesstaat Westbengalen, setzten wir
uns in einen Sammeljeep (in ein solches Gefährt passen bis zu 14 Personen)
Richtung Darjeeling. Darjeeling ist eine für indische Verhältnisse kleine Stadt
mit rund 120.000 Einwohnern in 2000 Metern Höhe. Das ist die sachliche
Beschreibung. Die etwas freiere, aber mindestens genauso treffende, lautet:
Darjeeling ist ein Labyrinth in den Anfängen des Himalayas, in dem man sich
ziemlich leicht verlaufen kann.
Die Straßen verlaufen parallel am Berghang entlang und sind
mitunter durch Treppen miteinander verbunden. Am Tag, wenn in den engen Gassen
Gemüse, frisch geschlachtetes Hähnchenfleisch und andere Lebensmittel gehandelt
werden, herrscht reges Treiben, abends gleicht der Ort mit Anbruch der
Dunkelheit schon fast einer Geisterstadt. In der Hauptsaison kann man vom Aussichtspunkt
die Achttausender des Himalayas bestaunen, während unserer Reise in der
Nebensaison trübte meistens der Nebel die Sicht.
Zum Entspannen war Darjeeling aber genau richtig, denn
Delhis mittlerweile schwül-heißes Klima, der altbekannte Lärm und die
Menschenmassen machen die Stadt weiterhin auf Dauer schwer erträglich – auch
wenn sie ihre schönen Seiten hat, keine Frage. In Darjeeling war es dagegen
angenehm kühl, ruhig und überhaupt nicht schwül. Zwar hat der Monsun
zwischenzeitlich seine Regen geschickt, aber sie waren nie so lang, dass sie
uns den Tag hätten verderben können. Zwei Tage haben wir in Darjeeling
verbracht, das Highlight war natürlich der Besuch der an die Plantage
angrenzenden Teefabrik. Von der asphaltierten Straße stiegen wir auf einem Pfad
zwischen den Teepflanzen hinunter ins „Happy Valley“, den Ursprungsort des
weltberühmten Tees. Kurz vor der Fabrik fing uns erst einmal die – wie sich
später herausstellte – Frau des Nachtwächters ab und lud sich zu uns ein. Sie
erzählte uns erst einmal etwas über die verschiedenen Tees und ihre Qualität,
die sie uns dann später – wen wundert’s – verkaufen wollte. Der im „Happy
Valley“ geerntete und verarbeitete Tee wird nämlich nicht zum Verkauf vor Ort
angeboten, sondern direkt nach Kolkata (Kolonialname: Kalkutta) transportiert,
dort verpackt und anschließend in die ganze Welt verschifft. Deswegen hätten
wir nur bei ihr originalen „Happy-Valley-Tee“ bekommen, den die Arbeiterinnen
an sie verkaufen, um ihr schmales Gehalt zu erhöhen. Die Aktivitäten der Dame sind
den Verantwortlichen in der Fabrik auch höchst suspekt, wie wir auf unserem
anschließenden kurzen Rundgang durch die Fabrik erfuhren. Dort hätten wir am
Ende auch noch Tee kaufen können, allerdings nur den in Kolkata verpackten. Und
weil wir den auch in Deutschland bekommen, setzten wir uns ohne „Happy
Valley“-Tee in einen Sammeljeep in
Richtung Norden. Nach Sikkim.
Sikkim ist ein winziger indischer Bundesstaat, in dem man
aufgrund der Berge des Himalayas aber nur schleppend vorankommt. Genauso wie
Darjeeling liegt er auf dem schmalen Streifen, der nördlich von Bangladesch die
oft vergessenen Nordoststaaten mit dem restlichen Indien verbindet. Umgeben
wird Sikkim von Nepal, China und dem Königreich Bhutan. Doch nicht nur
geographisch kommt Sikkim eine Sonderrolle zu. Ausländer brauchen eine rein
formelle Einreisegenehmigung die wir auch fast problemlos bekommen haben.
Sikkim ist schon während der Hochsaison nicht von Touristen
überlaufen, im Moment herrscht fast überall tote Hose. Nach einem Zwischenstopp
an der Grenze kamen wir am Abend des vierten Tages in Ravangla an, einem
kleinen Ort, in dem man sich bei Dunkelheit wie in einem Gruselfilm vorkommen
kann. Wenige, zumeist schäbige Hotels, ein paar herumlungernde Personen und
etliche Alkoholshops haben uns dazu bewogen, möglichst schnell unser
Hotelzimmer zu beziehen. Tagsüber ließ es sich in Ravangla durchaus aushalten,
weshalb wir uns zumindest noch einen Buddha-Park anschauten – ein Muss in
diesem buddhistisch geprägten Bundesstaat.
Weiter ging die Reise nach zwei Nächten nach Pelling, in ein
Dorf aus Hotels. Ich habe in Pelling kein einziges normales Wohnhaus gesehen!
In der Hauptsaison muss diese Touristen-Hochburg heillos überlaufen sein. In
der Nebensaison war sie indes das Gegenteil – ein einziges geöffnetes
Restaurant konnten wir aufspüren. Die Qualität des Essens bestätigte zum Glück
nicht den Eindruck der Speisekarte, die selbst für die hiesigen Verhältnisse
eine Katastrophe war. Die Highlights: „Corny Patato“, „Bamboo Shoot“ und „Sandwish“.
Werden bei letzterem etwa Strandträume wahr?
Für die waren wir
jedenfalls am falschen Ort. Dafür gab es Natur pur, und am Ankunftstag für
diese Jahreszeit überraschend viel Sonnenschein mit einigen schönen Ausblicken.
Wir sind jedoch so von Delhi geprägt, dass uns die insgesamt
fünf Tage in der Natur schon fast reichten. Gut, abgesehen vom Grün gab es in Sikkim auch
nicht sonderlich viel.
Weil die Busfahrt nach Kathmandu, die Hauptstadt des
Nachbarlandes Nepal, aber eine reine Odyssee geworden wäre, nahmen wir den
Nachtzug nach Kolkata. Raus aus der Ruhe, rein in den Trubel, den Lärm und den
Dreck – um es einmal mehr überspitzt zu formulieren.
Die dritte Megastadt Indiens neben Mumbai und Delhi ist an
einigen Stellen überraschend grün und hat prächtige koloniale Bauwerke. Die
ärmeren Gebiete der Stadt sind vergleichbar mit denen in Delhi: Viele Bettler,
feilschende Händler und jede Menge Menschen.
An die Hafenstadt Mumbai reicht Delhi sowieso nicht heran,
aber auch Kolkata hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Hauptstadt: Den
Hooghly River. Der Hooghly ist ein Fluss, den man entweder auf der Howrah
Bridge, einer der verkehrsreichsten Brücken weltweit, oder mit der Fähre
überqueren kann.
Delhi fällt somit in meinen persönlichen Megacity-Ranking
auf den letzten Platz zurück. Dennoch war die Stadt jetzt für fast ein Jahr
mein Zuhause, und ich habe sie an manchen Stellen zu schätzen gelernt.
Trotzdem: Langsam wird es Zeit, ihr wieder den Rücken zu kehren.
Noch dreieinhalb Wochen bleiben übrig. Die Zeit vergeht rasend
schnell. Der zehntägige Urlaub liegt auch schon eineinhalb Wochen zurück.
An dessen Ende checkten wir am Flughafen in Kolkata sogar
schon im Terminal für internationale Flüge ein.
Unsere AirIndia-Maschine nahm ziemlich bald Kurs auf Europa,
genauer: London. Sie machte allerdings noch eine Zwischenlandung in Delhi.
Die Reise in Bildern
Siliguri (Zwischenstopp)
Einladen, oder?
Darjeeling
Sikkim
Eine Schule...
die den Schülern Mut macht.
Schulkinder auf dem Weg zum Unterricht.
Ein Kloster, idyllisch auf einem Hügel gelegen.
Kolkata
Das bekannte Victoria Memorial.
In der Metro.
Auf dem Hooghly.
In der Tram.