Heimatbesuch
Teil
2: „Flying with the best“
„Thank you for flying with the best“ hieß es auf dem Hinflug
– der Gewinn irgendeines Preises gleich fünfmal in Folge veranlasste Etihad
Airways zu dieser Feststellung. Auf dem Rückweg fragte ich mich allerdings: Die
Besten worin? Im Verspäten von Flügen? In Ineffizienz und Inkompetenz am
Schalter?
Neu-Delhi, 8. März, 06:30 Uhr: Endlich heben wir ab, über 2
Stunden später als geplant. Entsprechend verspätete Ankunft in Abu Dhabi. Als
ich auf den Monitor im Flughafengebäude schaue, ist mein Anschlussflug schon
verschwunden. Was beginnt, ist eine siebenstündige Odyssee. Sieben Stunden
Anstehen in der Schlange am transfer desk.
Sieben Stunden Warten. Sieben quälende Stunden.
Nach rund sechs Stunden bin ich endlich am Schalter
angelangt. Gebe dem gepflegten jungen Mann im Anzug mein Ticket. Ja genau, mein
Ticket – nicht meinen Boarding Pass. Den hatte man mir nicht ausgehändigt in
Delhi. Ich sollte ihn mir in Abu Dhabi am transfer
desk holen. Wie das funktioniert hätte, wenn ich meinen Anschlussflug noch
hätte bekommen können – das hätte ich die junge Dame im Nachhinein gerne
gefragt. Es blieb Spekulation.
Die meiste Zeit waren die Schalter am transfer desk sowieso nicht besetzt. Die Anzugträger liefen ständig
hin und her, es wirkte sehr geschäftig – oder ineffektiv und inkompetent, je
nach Betrachtungsweise. Der junge Mann nahm mein Ticket und verschwand. Als er
wieder kam, hatte er es immer noch in der Hand. Er beschäftigte sich jedoch
offensichtlich mit anderen Fällen als meinem.
Einer davon war der des alten Pakistani, der mit fünf Leuten
nach Lahore wollte. „Setzen Sie sich doch, Sir. Ich komme zu Ihnen, sobald ich
Ihren Fall bearbeitet habe“, bot ihm der junge Anzugträger an. Der Alte
schüttelte nur müde den Kopf. Er ließ sich nicht abwimmeln. Nach Lahore wollte
er also. „Man hat sie aber auf Islamabad gebucht.“ – „Ich will aber nach
Lahore.“ Schweigen, Tippen am Computer. Dann: „Sie müssen nach Islamabad
fliegen. Von dort stellen wir Ihnen einen Transport nach Lahore zur Verfügung.“
Wie gnädig. Die grobe Richtung stimmt ja: Lahore oder Islamabad - Hauptsache
Afghanistan.
Mir reichte es inzwischen. Wie es um meinen Fall stehe,
fragte ich. „Da gibt es ein Problem.“ Welches Problem genau, wurde mir zwar
auch auf Nachfragen hin nicht gesagt, es war aber offensichtlich die Tatsache,
dass der Rückflug nach Düsseldorf mit Air Berlin gewesen wäre. Ständig
versuchten die Anzugträger vergebens, das Büro von Air Berlin zu erreichen. Man
kann ja beim „Premium Kooperationspartner“ auch nicht erwarten, zügig
durchgestellt zu werden. Mein Freund hatte das Vorhaben offensichtlich
aufgegeben. Er warte auf einen Rückruf, ließ er mich wissen. Gute Idee, die bei
Air Berlin werden sicherlich bei nächstbester Gelegenheit zurückrufen! Als ich
ziemlich ungehalten wurde, klemmte er sich wieder ans Telefon. Mit Erfolg. Kurz
danach richtete er sich an mich: „Ist ein Flug über Istanbul okay?“ Natürlich,
was denken sie denn, Hauptsache ich komme endlich nach Hause. „Ja.“
Kurz danach bekam ich mein Ticket: „Sie fliegen um 03:40 Uhr
mit Turkish Airlines. Holen Sie sich dort am Schalter Ihren Boarding Pass.“ Nur noch 12 Stunden in
Abu Dhabi, sensationell! Essen, ein Hotelzimmer? Bekäme ich bei Turkish
Airlines.
Der Schalter von Turkish Airlines war bis 23 Uhr
geschlossen. Essen, ein Hotelzimmer? „Gehen Sie zum nächsten Schalter von
Etihad Airways.“
Vor mir wieder Leute, die Ihre Flüge umbuchen. Mir reicht
es: „Madame, ich warte seit 7 Stunden auf einen neuen Flug, wurde anschließend
von einem Ort zum nächsten geschickt. Das einzige was ich brauche, ist eine
Quittung für’s Hotel.“ Fünf Minuten
später hatte ich sie.
Anschließend: Dreiviertelstündiger Transfer zum Hotel,
sieben Stunden Ausruhen inklusive Abendessen im 15. Stock. Der gleiche Inder,
der mich auf dem Hinweg chauffiert hatte, fuhr mich zurück zum Flughafen.
Smarter Typ mit Sonnenbrille und Hemd. In Delhi
hätte ich ihn für einen Geschäftsmann gehalten. In Abu Dhabi war er
Fahrer für Etihad.
Ausreise aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und
Check-In am Flughafen. Mein Gepäck war mir in der Zwischenzeit eingefallen. Ich
schilderte dem Kerl am Check-In meinen Fall. Er telefonierte einige Minuten.
Dann, an mich gerichtet: „Würden Sie auch ohne Ihr Gepäck fliegen?“ Nein, auf
gar keinen Fall! Ich will unbedingt noch länger auf diesem wunderbaren
Flughafen oder in dieser herrlichen Wüstenstadt mit Wolkenkratzer ausharren.
„Ja, natürlich.“ – „Sie erfahren beim Boarding, ob ihr Gepäck gefunden wurde.“
Wurde es nicht, beim Betreten des Flugzeuges erfuhr ich, dass mein Gepäck nicht
mit im Flieger war.
Es folgte ein turbulenter Flug nach Istanbul. Neben mir
kippte der Stewardess fast das Essen vom Wagen, als das Flugzeug kurz absackte.
Ankunft in Düsseldorf am 9. März um 10:30 Ortszeit, über 21
Stunden später als geplant. Ich ging, um mein Gepäck vermisst zu melden. Wurde
aufgefordert, zuerst bei unzähligen Koffern, alle mit Flugnummern beginnend mit
„EY“ (für Etihad Airways), nachzuschauen, ob meine Gepäckstücke dabei waren.
Waren sie, versehen mit der Aufschrift „Quick Baggage Transfer“.
Und plötzlich so etwas wie eine Erleuchtung. „Thank you for flying with the
best.“ Fast ganz ohne Spott,
sogar mit einem Hauch von Dankbarkeit frage ich mich: Etihad Airways – die
besten im schnellen Gepäcktransfer?